In den letzten Jahren war es ruhiger im Fischschwarm geworden. Man kannte sich untereinander. Er war eine eingeschworene Gemeinschaft. Auch wenn das Leben der einzelnen Fische teilweise doch recht unterschiedlich verlief, so hatte alle mindestens eine Gemeinsamkeit. Den Schwarm. Es gab die festen Zeiten, zu denen man sich traf. Feststehende jährliche Ereignisse zu denen sich der Schwarm regelmäßig erweiterte. Es war ein fast schon gesetztes Leben. Natürlich gab es einschneidende Erlebnisse bei einem einzelnen Fisch. Aber im Großen und Ganzen schwamm der Schwarm durch ruhiges Gewässer.
Doch bald schon sollte sich etwas ändern. Es fing mit leichten Unruhen im Wasser an. Aber das sollte ihn nicht erschüttern. Der Auslöser war tausende Kilometer entfernt. Was sollte er unseren Schwarm groß interessieren.
Aber die Wellen kamen näher. Die Wellen wurden größer. Es kam zu Wellen, die unseren Schwarm im Ganzen trafen. Er konnte nicht mehr gemeinsam schwimmen. Zumindest nicht mehr so wie bisher. Denn obwohl es ein kleiner Schwarm ist, er war zu groß um als Ganzes unterwegs zu sein.
Und so überlegte sich der Schwarm, wie er sich weiterhin treffen könne, ohne gegen die geltenden Regeln zu verstoßen. Wie er diese erste große Welle reiten könne.
Die Wellen schlugen höher und jeden Fisch unseres Schwarms trafen eigene Wellen. Der Auslöser verbreitete sich und sollte das Leben jedes einzelnen Fisches treffen. Wie bei vielen tausend anderen auch, hat es auf unsere Fische gewirkt. Sei es durch massive Mehrarbeit, Überdenken aller bisherigen Regeln oder auch im Umgang mit anderen Fischen. Die Wellen kamen schneller und nach der Welle war vor der Welle.
Aber es kam eine Zeit, in der es wieder möglich war, dass der Schwarm gemeinsam schwamm.
Eine glückliche Fügung ergab, dass ein Fisch, der vor längerer Zeit den Schwarm verlassen hatte, sich just an diesem Tage auch aufmachte und auf unseren Schwarm stieß. So konnte der Schwarm in diesen Tagen wieder einen neuen/alten Fisch in seiner Mitte willkommen heißen.
Der Schwarm fand eine Möglichkeit sich zu treffen und fast schon wieder so etwas wie die alte Normalität zu erreichen. Aber auch weiterhin kamen die Wellen. Manche Wellen veränderten das Leben des Einzelnen grundlegend. Andere Wellen stellten die Einzelnen vor Aufgaben, die sie so noch nie erlebt hatten. Fast alles, was man tat, war anders, komplizierter, weitreichender. Man hatte ja nicht nur die Verantwortung für sich. Nein, man hatte ja auch die Verantwortung für andere. Familie, Freunde, Kollegen.
Aber der Wind sollte zunehmen und es wurde stürmischer. Und so ging der Schwarm wieder dazu über sich nicht mehr persönlich zu treffen.
Der Schwarm hat feststellen müssen, dass man die Wellen nicht stoppen kann. Aber man kann versuchen, sie zu reiten. Sie treffen ihn. Aber gemeinsam werfen sie den Einzelnen vielleicht nicht völlig aus der Bahn. Niemand ist allein. Und gemeinsames Lachen hilft. Auch wenn man weiß, dass die Wellen morgen wieder losbrechen werden.
Das Jahr 2020 verlief nicht so, wie wir uns das vorgestellt hatten. Jeder von uns hatte seine eigenen Wellen. Denn Corona kam ja zu den anderen Dingen (positiv und negativ), die im Leben passieren noch dazu. Manche trafen härter, manche machten uns „nur“ Striche durch unsere Rechnung. Natürlich hätten wir gerne am 1. Mai Volleyball gespielt, hätten unseres Challenges gerne in „Echt“ ausgetragen. Hätten gerne an der 125-Jahr-Feier teilgenommen. Wir wollten endlich auch unser „Fisch on Tour“ nach Hamburg angehen. Aber es lief nicht nach unserem Willen. Manchmal hat man keine Wahl. Es geschieht, ob wir wollen oder nicht. Aber wir haben die Wahl, wie wir mit der Situation umgehen. Wir können versuchen, aus den Gegebenheiten das Beste zu machen. Ob im Privatleben, bei Prüfungen, beim Studium oder im Beruf. Überall sind die Auswirkungen spürbar. Wir lassen Nerven. Wir kommen manchmal an das Ende unseres Geduldsfadens. Sehnen uns nach einer Umarmung. Einem Händeschlag. Dem persönlichen Kontakt. Wir arbeiten am Rande unserer Belastbarkeit oder auch schon darüber hinaus. Wir versuchen, Dinge möglich zu machen. Manche können sich isolieren, manche können das aufgrund des Berufs nicht. Jeder geht mit der Situation anders um. Jeder muss sich der Realität stellen, an dem Platz an den Gott ihn oder sie gestellt hat. Davon, dass dieses Jahr mit jedem etwas macht, bin ich fest überzeugt.
Vielleicht hat man dieses Jahr genutzt, um für sich festzustellen, was wirklich wichtig ist. Hat neue Wege im Glauben für sich gefunden. Vielleicht hat man sich ja selbstperfektioniert. Ich habe u.a. einen Bollerwagen gebaut. Ich kann aber keine drei weiteren Fremdsprachen und den Sport meines Lebens habe ich auch noch nicht gefunden. Dafür hatte ich Gott sei Dank keine Zeit.
Den Spruch „Man kann die Wellen nicht stoppen, aber man kann lernen sie zu reiten“ habe ich im Büro hängen. Es wird immer wieder Wellen geben, die uns komplett unvorbereitet und hart treffen. Aber dennoch mag ich diesen Spruch.
Ich habe am Anfang der Pandemie im Auto auf dem Weg zur Arbeit gebetet, Gott möge mir ein Zeichen geben, ob ich durch diese Zeit kommen werde. Eine Zeit mit Aufgaben, vor der ich stand wie vor einer meterhohen Welle. Und das war nur das, von dem ich wusste, was auf mich zukommt. War auch besser so. Ob meine Kraft reichen wird. Und ihn um seine Hilfe gebeten, dass er mir Kraft gäb
und mich da durchbringt. Am selben Abend kam mir auf dem Heimweg in Karlsruhe ein Auto entgegen. Es hatte ein Surfbrett auf dem Dach.
Das Jahr 2020 geht zu Ende. Auch wenn wir in absehbarer Zeit nicht zur alten Normalität übergehen können, so hart wie das teilweise auch ist, so erkenne ich aus den letzten Monaten auch, dass immer etwas positives entstehen kann. Gegenseitige Hilfe. Gemeinschaft. Auf andere achten. Sich nach hinten stellen und versuchen, andere mit durch diese Zeit zu bringen. Und: Patrick ist wieder Teil von uns.
Wir wünschen euch von Herzen eine gesunde Vorweihnachtszeit. Ein gesegnetes Weihnachten (hoffentlich) im Kreise der Menschen, die ihr liebt und die euch lieben und einen guten Rutsch in ein gesundes 2021.
Ich weiß nicht, was das neue Jahr bringen wird. Aber ich glaube fest daran, dass man gemeinsam und im Vertrauen auf Gott hoffnungsvoll starten kann.
Bleibt gesund!
Eure Simone Meinzer
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